Es gibt unterschiedliche Ansätze in der modernen Pflege, gerade wenn es um neurologische Erkrankungen wie beispielsweise Schlaganfälle geht. Ein sehr bekannter und beliebter Ansatz ist das Bobath-Konzept. Im Folgenden können Sie viele hilfreiche Informationen rund ums Thema Bobath-Therapie nachlesen.
Das Bobath-Konzept ist ein interdisziplinärer Ansatz. Konkret bedeutet das, dass verschiedene medizinische Berufsgruppen wie Pflegekräfte, Physiotherapeut:innen, Ärzt:innen und Ergotherapeut:innen zusammenarbeiten. Ziel ist es die Patient:innen bei der Rehabilitation bestmöglich zu unterstützen. Dabei ist die Interaktion zwischen den medizinischen Berufsgruppen, den Betroffenen und ihrer Angehörigen besonders wichtig. Speziell wird das Bobath-Konzept bei Erwachsenen und Kindern mit neurologischen Erkrankungen eingesetzt.
Beim Bobath-Konzept gibt es keine vorgeschriebenen Techniken, Methoden oder Übungen, die bei allen Patient:innen gleichermaßen angewendet werden. Vielmehr berücksichtigt das Bobath-Konzept die individuellen Möglichkeiten und Grenzen der Betroffenen. Diese werden dann in die Pflege und Therapie miteinbezogen.
Das Bobath-Konzept umfasst folgende Prinzipien:
Die Anwendung dieser Prinzipien soll nicht in einer Therapieeinheit erfolgen, sondern soll Bestandteil des gesamten Tagesablaufs sein.
Beispielsweise Menschen, die an einer Halbseitenlähmung leiden, neigen dazu ihre Einschränkungen durch die weniger betroffene Körperhälfte auszugleichen. Langfristig können diese einseitigen Bewegungen zu schmerzhaften Verkrampfungen auf der betroffenen Seite führen. Das soll verhindert werden. Wird die betroffene Körperhälfte einbezogen, gelangen neue Informationen an das Gehirn und regen eine Umstrukturierung an. Dadurch entstehen neue Verknüpfungen von Nervenzellen außerhalb des geschädigten Hirnbereichs. Diese können einspringen und beim Wiederaufbau von verlorenen Funktionen helfen. Diesen Vorgang bezeichnet man als Neuroplastizität.
Entwickelt wurde das Bobath-Konzept von Berta und Karel Bobath. Berta wuchs in Berlin auf und wanderte später nach Großbritannien aus. Dort lernte sie Karel kennen und begann an der Bobath-Therapie zu arbeiten. Sie war eine Physiotherapeutin, ihr Mann arbeitete als Neurologe. Anfänglich war Karel skeptisch gegenüber ihrer Therapie, später arbeitete er mit ihr an der Erstellung des Bobath-Konzeptes mit und lieferte neurologische Grundlagen.
Die Ziele des Bobath-Konzepts orientieren sich am Lebensalltag der betroffenen Personen. Die Patient:innen sollen Fähigkeiten und Techniken lernen, um in ihr gewohntes Leben zurückzukehren. Das Bobath Konzept verfolgt folgende Ziele:
Das Bobath-Konzept ist ein Pflege- und Therapiekonzept für Menschen mit Lähmungen (Plegie) oder auch bei Muskelschwäche (Parese). Ursachen sind meist Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Dazu zählen Patient:innen mit:
Aufgrund dessen wird das Bobath-Konzept bei folgenden Symptomen angewandt:
Bei den Schlüsselpunkten des Bobath-Konzepts wird wie folgt unterschieden:
Der zentrale Schlüsselpunkt befindet sich grob gesagt im Bereich des Brustbeins. Er hält den Schwerpunkt des Oberkörpers und um ihn herum werden die Extremitäten bewegt.
Bei den proximalen Schlüsselpunkten handelt es sich um körpernahe Schlüsselpunkte. Beispielsweise die Schultern oder das Becken.
Unter distalen Schlüsselpunkten werden körperferne Schlüsselpunkte verstanden. Das sind z.B. Hände und Füße.
In welcher Position die Schlüsselpunkte zueinanderstehen, zeigt den aktuellen Muskeltonus an. Das heißt, ob eine Beugung oder Streckung vorliegt. Für Bobath spielen die Schlüsselpunkte eine zentrale Rolle, unter anderem bei der Einleitung von Bewegungen.
Im Bobath-Konzept ist der Lernprozess, durch den die Kontrolle über den Muskeltonus und die verlorenen Bewegungsfunktionen zurückerlangt werden sollen, zentral. Dieser lebenslange Lernprozess beruht auf der Tatsache, dass im Gehirn eine ständige Umorganisation der Zusammenarbeit der Nervenzellen stattfindet. Gleichzeitig gibt es aber unvollständig genutzte Nervenzellen. Es wird also angestrebt, dass vorhandene Synapsen (Verbindungen zwischen Nervenzellen) aktiviert werden oder sich neue synaptische Verbindungen zwischen Nervenzellen bilden. Aus diesem Grund betrifft das Bobath Konzept nicht nur einzelne Therapiesitzungen, sondern den gesamten Tagesablauf. Daher sollten folgende Schwerpunkte über den Tag hinweg behandelt werden:
Im ersten Schritt setzt man beim Bobath-Konzept auf die richtige Mobilisation bzw. das Handling der betroffenen Person. Das therapeutisch korrekte Vorgehen bei diesem Prozess ist einer der zentralen Dreh- und Angelpunkte der Bobath-Therapie. Dieses umfasst jegliche Form der Mobilisation, darunter das Betten, Umlagern, Aufstehen und Umsetzen in den Rollstuhl. Es wird darauf geachtet, dass sobald die Patient:innen sich bewegen oder bewegt werden, die richtigen Handling-Techniken eingesetzt werden. Die Betreuer:innen führen die Bewegungen der Person mit Pflegebedarf und geben ihr somit ein Lernangebot. Durch wiederholtes Ausführen kann somit ein Maß an Beweglichkeit zurückerlangt werden.
Auch auf die richtige Lagerung der Patient:innen ist zu achten. Wird die Lagerung konstant gut ausgeführt, kann dies die Muskeltonuserhöhung positiv beeinflussen. Bei der Lagerung sollte man auch auf die Gefahr eines Dekubitus (Hautschädigung aufgrund von anhaltendem Druck) achten. Denn beim Bobath-Konzept wird dazu tendiert die Patient:innen relativ hart zu lagern. Das ist besonders bei Patient:innen mit einer Störung der Körperwahrnehmung der Fall. Diese harte Lagerung erhöht die Dekubitusgefahr, weshalb je nach Patient:in individuell entschieden werden sollte, ob es sich lohnt das Risiko einzugehen. Jedoch ist die Chance auf Rehabilitierung ohne therapeutische Lagerung wesentlich geringer.
Das Selbsthilfetraining bzw. ADL-Training ist der letzte Schwerpunkt des Bobath-Konzepts. ADL steht für „activity of the daily living“ was auf Deutsch Aktivität des täglichen Lebens bedeutet. Es beschreibt den Umstand, dass die Selbstständigkeit bei Aktivitäten des täglichen Lebens geübt wird. Da die Übungen über den ganzen Tag hinweg stattfinden, kann die Person mit Pflegebedarf große Fortschritte erzielen. Die jeweilige Ausführung der Alltagshandlung wird durch verschieden Eingriffe so gestaltet, dass eine Kontrolle des Muskeltonus bestmöglich erfolgen kann. Zu diesen Eingriffen gehören etwa Hilfsmittel, eine bestimmte Umgebung oder eine entsprechende Ausgangstellung bei der Übung. Aus dieser kontrollierten Situation lernen die Person mit Pflegebedarf unter der Führung der Pflegeperson die Handlungen auszuüben. Es eignen sich besonders Aktivitäten, die für den Alltag am wichtigsten sind, etwa:
Möchten Sie als Angehörige:r nach dem Bobath-Konzept pflegen, dann versuchen Sie zuerst die möglichen Fähigkeiten der Person mit Pflegebedarf zu finden. Des Weiteren versuchen Sie die betroffene Person zu aktivieren und ihre Selbstständigkeit zu fördern. Hierfür sind folgende Tipps hilfreich:
Wie lange die Rehabilitation dauert, hängt sehr stark von der Schwere der Erkrankung ab. In der ersten Phase werden der Gleichgewichtssinn und motorische Fähigkeiten wiederhergestellt und gestärkt. Das kann einige Wochen bis Monate in Anspruch nehmen.
Anschließend werden die wieder erlernten Fähigkeiten weiter gefestigt, dies kann weitere Wochen in Anspruch nehmen. In vielen Fällen dauert die therapeutische Bobath-Konzept Begleitung über ein bis zwei Jahre.
Die Bobath-Therapie dürfen speziell ausgebildete und zertifizierte Physiotherapeut:innen ausführen. Sie verfügen über eine aufwendige Ausbildung und bilden sich kontinuierlich weiter. Ein offizieller Verein zur Ausbildung von Therapeut:innen im Bobath-Konzept ist die IBITA („International Bobath Instructors Training Association”). Gegründet wurde er mit der Zustimmung der Konzeptbegründer:innen Berta und Karl Bobath, um das Konzept kontrolliert und fachlich korrekt zu verbreiten.
Jedoch ist festzuhalten, dass es in Österreich auch spezielle Bobath Weiterbildungen für Pflegepersonen gibt und Pflegepersonen mit neurologischem Schwerpunkt in der Regel auch in der Bobath-Therapie geschult sind.
Die Übungen richten sich individuell nach der Schwere der Erkrankung und der Beweglichkeit des Körpers. Im Zentrum stehen Übungen, die das Gleichgewicht trainieren. So können Patient:innen in allen Lagen stabil und sicher sein. Mögliche Übungen sind z.B.:
Die Anwendung des Bobath-Konzepts bietet viele Vorteile. Der Schwerpunkt bei der Altenpflege nach Bobath liegt darauf, die Personen mit Pflegebedarf in ihrer Selbstständigkeit und Alltagskompetenz zu fördern. Die Vorteile des Bobath-Konzepts sind:
Auch wenn das Bobath-Konzept häufig vielversprechend ist, gibt es keine Erfolgsgarantie. Im besten Fall können Zustände erreicht werden, in denen die betroffene Person gleich selbstständig ist wie vor ihrer Erkrankung. Allerdings macht dies die vorangegangene Verletzung bzw. Schädigung nicht rückgängig oder ungeschehen. Die Erfolgsaussicht beim Bobath-Konzept hängt ganz stark von den individuellen Voraussetzungen der Patient:innen ab.
Die Isländerin Thora B. Hafsteinsdottir beschäftigt sich mit wissenschaftlichen Untersuchungen zu Schlaganfallpatient:innen und übt reichlich Kritik am Bobath-Konzept:
Allerdings konnten verschiedene Studien die Wirksamkeit des Bobath-Konzeptes in der Rehabilitation von Schlaganfallpatient:innen belegen. Beispielsweise die PASS-Studie des Albertinen-Hauses, einer Klinik für Altersheilkunde. Es wurden 302 Patient:innen über zwei Jahre nach ihrer Entlassung begleitet und beobachtet. Alle Patient:innen wurden nach dem 24-Stunden-Konzept nach Bobath behandelt.
Das Bobath-Konzept scheint anderen Konzepten der Schlaganfallrehabilitation aber nicht überlegen zu sein. Es lassen sich mit vielen Konzepten ähnliche Ergebnisse erzielen. Wird das Bobath-Konzept mit anderen Rehabilitationsmaßnahmen kombiniert, etwa dem Vojta-Konzept, lassen sich jedoch überdurchschnittliche Ergebnisse erzielen.
Das Bobath-Konzept wird in der Physio- und Ergotherapie durch speziell geschulte Therapeut:innen angeboten. Diese muss von einer Ärztin bzw. einem Arzt verordnet werden. Behandlungen werden bei Vertragspartnern der ÖGK sowie in den ÖGK-Gesundheitszentren für Physikalische Medizin für Versicherte kostenlos angeboten. Die Vertragspartner:innen verrechnen die Honorarnote für Vertragsleistungen direkt mit der ÖGK.
Nehmen Sie eine Bobath-Therapie in einem Wahlinstitut in Anspruch, müssen Sie das Honorar für die Behandlung selbst bezahlen und anschließend eine Kostenerstattung ansuchen.